Technologien zur Simulation einer virtuellen Realität (VR) oder erweiterten Realität (eng= augmented reality/AR) sind Nutzern häufig eher im privaten Umfeld über Gaming-Angebote bekannt. Dabei kann entweder der Eintritt in eine komplett simulierte Umgebung über eine VR-Brille oder die Erweiterung der realen Umgebung durch einzelne Elemente über die Sicht aus einer AR-Brille oder Anwendung per Kamera eines Mobilgerätes insbesondere beim erfahrbaren Lernen und der Kompetenzentwicklung der Nutzer besonders schnelle Erfolge erzielen.
Die Veranstaltung „Lernen im virtuellen Raum: virtuelle und erweiterte Realität“ am 9. Oktober im Probierwerk vermittelte den Teilnehmer unterschiedliche Möglichkeiten virtuelle und erweiterte Realität im Bereich der Aus- oder Weiterbildung anzuwenden. Bei beiden Vorträgen stand gerade der Praxisbezug durch die zum Auftakt angekündigte „Kanone voller Beispiele“ und das Ausprobieren der Technologie nach den Vorträgen im Vordergrund.
We feel like it’s for real too
Jonathan Natzel, Geschäftsführer und Gründer der Weltenmacher GmbH, setze zunächst auf eine Einführung in die relevantesten Aspekte im Verständnis von VR- und AR-Technologien: Die Immersion, als das möglichst real wahrgenommene Eintauchen die virtuelle Welt, und die Interaction, also die Möglichkeiten mit den Objekten und innerhalb der simulierten Umgebung zu agieren. Zur Veranschaulichung zeigte Jonathan einen Flugsimulator aus dem Jahr 1929 und verglich ihn mit einem heutigen. Der Slogan damals wie heute: „We feel like it’s for real too“. Dabei konnte für die Schulung der Piloten aufgezeigt werden, dass sich die Technik im Bereich Immersion gesteigert und in der Interaction perfektioniert hat. Ein jedoch nicht stark weiterentwickeltes Beispiel zwischen damals (1909) und heute wurde durch die Medizinerausbildung im Hörsaal an der Universität veranschaulicht, die sich in mehr als 100 Jahren nicht in der frontalen Wissensvermittlung verändert hat. Tatsächlich tun sich jedoch, belegt durch Studienmaterial, insbesondere bei der Vermittlung von komplexeren Tätigkeits-Anforderungen gute Lösungen für die Bereiche berufliche Bildung und Qualitätsmanagement durch VR-/AR-Anwendungen auf: z.B. eine 49% geringere Fehlerrate von Kardiologen in Operationen durch Training in VR.
Berührungsängste vs. konkreter Mehrwert
Im zweiten Teil seines Vortrags ging Jonathan auf eine eigens entwickelte Simulationslösung ein: das VR-Dialysegerät. Dieses wurde bereits in einer Versuchsreihe mit betroffenen Patienten getestet, von der eine Gruppen eine Dialyseverfahrens-Schulung per virtueller Realität und die andere konventionell erhielt. Die VR-Gruppe erzielte entgegen der Kontrollgruppe aber weitaus bessere Ergebnisse und das trotz anfänglicher Berührungsängste mit der neue Technologie. Der Mehrwert für die Teilnehmer zeigte sich in einer gestiegenen Sicherheit beim Dialyseverfahren durch das stetige Wiederholen des Vorgangs. Ebenfalls wurde das Lernen mit Avatar, im Vergleich zu einem Lehrer aus Fleisch und Blut, als sehr angenehm empfunden, da mögliche soziale und psychologische Störfaktoren minimiert werden konnten. Insgesamt überzeugten die Vorteile der Technik und ihre Anwendbarkeit im Alltag.
Eine Zukunftsperspektive für den Bereich VR ist im Umgang mit psychologisch- sozialogischen Effekten zu sehen, die bspw. durch eine erhöhte Motivation durch auftretende Phänomene im individuellen Vergleich mit Avataren auftreten. Ebenso beschäftigt sich die Forschung mit dem Thema Perspektiv-Wechsel (groß/klein, Frau/Mann etc.), die sich wiederum in Blickwinkel und Leistung widerspiegeln. Der letzte Ausblick gehört dann der KI, der künstlichen Intelligenz, die als Lehrer den Schüler unterstützt und die richten Fragen und Übungen festlegen könnte.
Welche Geräte gibt es auf dem Markt?
Christian Prison, Head of Augmented Reality von der codecentric AG zeigte im zweiten Teil dann konkret und erfahrbar die verschiedenen am Markt erhältlichen Geräte wie die Microsoft Hololens und die Ocolus Quest und ging Besonderheiten wie die Bose Frames Rondo ein. Als Anwendungsbeispiel konnten die Teilnehmer dann einen Welding Helper, der momentan für den Bau des Aachener Elektroauto e.Go eingesetzt wurde, über die AR-Brille selbst ausprobieren. Dieser Welding Helper unterstützt beim zeitaufwendigen Aufbau eines Schweißtisches und bringt sowohl Zeitersparnis als auch eine Qualitätsüberprüfung mit sich, da die stetige Kontrolle in eine Aufbauanleitung bzw. ein Handbuch entfallen. Außerdem berichtete uns Christian von einem ihrer Kundenunternehmen in Maschinenherstellung für die Pharmabranche, die bei der Einweisung der amerikanischen Produktionsmitarbeiter für die Tablettenpresse eine enorme Reisekostenersparnis erzeugt haben, da die neuen Mitarbeiter via Übersee-Schulung mit der AR-Brille eingearbeitet wurden.