Die Welt ist im Wandel und auch für Unternehmen bedeutet die fortschreitende Digitalisierung große Herausforderungen. Ein Change-Management-Prozess kann durch Anpassung der Unternehmensstrategien an veränderte Rahmenbedingungen dabei helfen, Prozesse neu zu denken und Abläufe effizienter zu gestalten.

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Was versteht man genau unter Change-Management? Gab es das nicht schon immer? Was sind Chancen, was sind Risiken? Was ist der Mehrwert? Wieviel Ressourcen muss ich einplanen? Wir sprachen mit André Pietzke, Change-Management-Experte aus Solingen.

Probierwerk:  André, warum ist Change-Management gerade so ein wichtiges Thema?
André Pietzke: Das ist ziemlich offensichtlich, wenn man sich die Welt und Wirtschaft und alles, was sich gerade in den meisten Wirtschaftszweigen so tut, einmal anschaut. Viel wird komplett transformiert. Allein das Thema Digitalisierung ist für viele KMU bereits seit Jahren ein wichtiges Thema, das immer noch angegangen werden muss und eben noch nicht abgeschlossen ist. Solche Themen bringen zahlreiche Veränderungsprozesse mit sich. Und Change ist etwas, was jedes Unternehmen braucht, um bestehen zu können und das eigene Business Model auch noch einmal anzupassen. Übrigens etwas, das gesunde Unternehmen grundsätzlich brauchen.

Probierwerk: Wie systematisiert muss man man das Ganze angehen?
Pietzke: Change-Management ist eine Form des aktiven Angehens von Veränderungsprozessen. Auch viele kleine und mittelständische Unternehmen entdecken zunehmend, dass es hilfreich ist, den Wandel von innen heraus strukturiert anzugehen und dafür auch auf externe Hilfe zurückzugreifen.

Probierwerk: Also sollten Unternehmen nicht unter dem Druck des Wandels bloß reagieren sondern versuchen, dies organisiert von innen heraus zu steuern?
Pietzke: Ja. Der Trick für Change ist, Veränderung vor allem proaktiv mit einem klaren Ziel anzugehen. Das heißt von Seite des Unternehmens, der Abteilung, der Geschäftsführung – je nachdem, von wo man startet – sollte ein Ziel gesetzt werden um dann proaktiv einen Prozess mit möglichst vielen aktiven Teilnehmern aus dem Unternehmen heraus so zu gestalten, dass dieser nachfolgend auch tragfähig etabliert ist. Der erste Schritt ist die Veränderung. Der zweite, ebenfalls wichtige Schritt ist es, die Veränderung auch bestehen zu lassen. Oder sich sogar dahin zu bewegen, dass es normal wird, sich anzupassen. Diesen Prozess zur Normalität werden zu lassen und damit stark genug zu werden, auch mit extremen Situationen als Gesamtunternehmen gut umzugehen, ist der Mehrwert.

 

Probierwerk: Die erlernte Anpassungsfähigkeit wäre also der Mehrwert für das Unternehmen. Hilft das auch der Atmosphäre im Betrieb und dem Teamgefühl der Mitarbeiter?
Pietzke:
Bei Veränderungsprozessen geht es nicht nur um eine gefühlte Verbesserung. Es geht vielmehr um ein effizienteres Erreichen der sogenannten KPIs (Key Performance Indicators; d.Red.) durch harte Fakten und damit generiertes Wachstum für das Unternehmen. Auch den bestehenden Gewinn weiter zu halten, ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich. Es gibt viele Unternehmen, die mit Herausforderungen zu kämpfen haben. Unternehmen, die sich gerade auch in der Corona-Pandemie neu aufstellen mussten, die innovieren mussten, obwohl sie dachten, das Geschäftsmodell sei endlich beständig, so wie es geplant war. Mit diesem „New Leadership“ müssen Führungskräfte lernen, dabei eben nicht die halbe Belegschaft hinter sich zu lassen, sondern diese mitzunehmen.

Probierwerk: Macht es Sinn, solche Prozesse auch in Unternehmen anzustoßen, denen es „eigentlich gut geht“?
Pietzke: Das trügerische Gefühl, dass ja eigentlich alles läuft, haben die meisten Unternehmen – kurz bevor es dann knallt! Das ist normal, weil man wertschätzt, was man schon geschafft hat. Auf der anderen Seite ist natürlich sinnvoll für die Zukunft vorzuplanen und vorausschauend, strategisch vorzugehen, was viele Geschäftsführer und Inhaber von kleinen Unternehmen auch proaktiv versuchen. Da sie hier aber im geschützten Rahmen ohne den Einfluss von neuen agilen Stilen agieren und vielleicht auch Berührungsängste haben, mit Mitarbeitern anders umzugehen, tun sie sich meist schwer.

Probierwerk: Wie kann es denn gelingen?
Pietzke: Es hat sich herausgestellt: Je mehr Leute aus verschiedenen Bereichen die Arbeit umsetzen, je mehr Leute in wirklich fundamentale Entscheidungen eingebunden sind, desto klarer und erfolgreicher werden die Veränderungsprozesse.  Hier muss die Integration allerdings so gesteuert sein, dass kein Mitarbeiter überlastet ist und die Verantwortung für den Prozess trägt, sondern dass ein gutes Miteinander die Arbeit auffängt.  Das Gleiche gilt im Großen für Strukturprozesse. Wie bringe ich neue Mitarbeiter in die Firma? Wie halte ich Mitarbeiter? Wie schaffe ich es, dass ich attraktiv als Unternehmen bin und Mitarbeiter anziehen kann? Wie schaffe ich, dass die innere Veränderung auch nach außen hin wirksam ist? Diese Fragen sollten den Veränderungsprozess begleiten.

Probierwerk: Wir haben also auf der einen Seite das Team, auf der anderen Seite die Entscheider und im besten Fall arbeiten diese Hand in Hand. Bei wem fängt Change-Management denn an? Wer sollte den Prozess anstoßen? Ist es egal von welcher Seite dies geschieht? Wo greift Change am besten?
Pietzke: Am besten funktioniert ein Veränderungsprozess, wenn er vonseiten der Geschäftsführung gewollt ist und konkret angegangen wird. Und dann beginnt er auch im Kopf von denjenigen, die Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen. Change-Management heißt, Leadership in einer neuen Art und Weise zu verstehen. Und zwar als dreifacher Leadership.

Probierwerk: Welche drei Ebenen sind das?
Pietzke: Zunächst mal ich als Person, als derjenige, der Verantwortung trägt. Wie verstehe ich es, Verantwortung zu übernehmen? Wie übertrage ich Verantwortung? Gibt es eine Feedbackkultur und welche Position nehme ich in dieser ein? Wie gehe ich mit Misserfolgen um? Wie lerne ich daraus und wie schaffe ich eine Lernkultur? Dann der Punkt Team-Leadership: Wie schaffe ich es als Teamführung, eine selbstorganisierte Arbeitsweise für Mitarbeitende bzw. eine Arbeitsweise, die dem Prozess dienlich ist, funktional zu etablieren? Drittens der Bereich System Leadership. Hier bin ich Verantwortlicher für strukturelle Rahmenbedingungen und stelle die Frage, wie ich es schaffe, das ganze Unternehmen oder eine Abteilung mit den Rahmenbedingungen so zu etablieren, dass es automatisch funktioniert. Gerade die System-Ebene haben Unternehmer und vor allem Gründer von Anfang an als Thema auf der Agenda. Das ist es eigentlich, was Unternehmensgründung bedeutet: Ein System aufzusetzen und lebendig werden zu lassen, was automatisiert ein Geschäftsmodell bedient.

Probierwerk: Und dabei hilft dann als Rückenwind ein externer Dritter?
Pietzke: Bestenfalls schafft man es selbst, von innen heraus diese Schritte zu gehen. Dafür braucht man aber die Normalität, dass Veränderung stattfindet. Schafft man Veränderung über Jahrzehnte nicht, verliert das Unternehmen die Fähigkeit, sich auf eine neue Ebene zu bewegen. Den Innovationsgedanken, der ja am Anfang bei der Gründung eines Unternehmens sehr stark im Vordergrund stand, wieder aufleben zu lassen, kann dabei gut durch Begleitung von außen wieder angestoßen werden.

Probierwerk: Wenn ein Unternehmen einen solchen Veränderungsprozess starten möchte, wo fängt man dann an?
Pietzke: Zuerst sollte man Zielsetzungen formulieren. Hierbei ist die Begleitung von außen besonders wichtig, da Ziele so konkret wie möglich sein müssen. Was ist eigentlich das, was angegangen werden soll? Welches Ideal, welcher Zustand soll durch diesen Prozess erreicht werden? An diese Zielsetzungen kann man im nächsten Schritt die Methodik anpassen. Nicht jedes Unternehmen braucht diesen einen Standardweg oder ein klassisches Change-Management im herkömmlichen Projektmanagement-Sinn. Es gibt tausend verschiedene Wege für tausend verschiedene Unternehmen, diesen Weg zu gehen. Die individuelle Begleitung, das Richtige zu finden und in der richtigen Geschwindigkeit durchzuführen, ist der Trick, den ein guter Berater oder intern beauftragte Person schaffen muss.

Probierwerk: Wann ist denn Veränderung und damit eine Besserung in Sicht? Wann weiß ich, das ich auf dem richtigen Weg bin?
Pietzke: Wenn beispielsweise der Abteilungsleiter merkt, die Mitarbeitenden sind unzufrieden, weil sich eben viel gleichzeitig bewegt. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Digitalisierung. Es werden neue Tools und Prozesse eingeführt und die Mitarbeitenden werden geschult. Weil sich aber auch die Art und Weise des Arbeitens und des Kommunizierens miteinander ändert, ist es für viele schwierig mitzukommen. Sie kriegen den Wandel eher aufgedrückt. Solche Prozesse nicht nur theoretisch anzugehen, sondern diese langfristig gemeinsam mit den Mitarbeitern zu entwickeln, ist der wichtigste Part im Change-Management. Denn die Arbeitsweise beeinflusst natürlich auch die Effektivität des Teams und damit des ganzen Unternehmens. Und gerade wenn die Unruhe im Unternehmen wächst, ist es höchste Zeit, sich über eine strukturierte Organisation der Veränderungen Gedanken zu machen.

Probierwerk: „Wenn es ungemütlich wird, ist man auf dem Weg“ klingt nach einer guten Faustregel. Danke André, das waren eine ganze Menge Infos. Wir sehen Dich bald beim Probierabend am 31. März wieder. Was erwartet denn jetzt noch Teilnehmer?
Pietzke: Am Probierabend besprechen wir vor allem die Leadership-Rolle noch einmal konkret und beispielhaft an realen Business-Cases. Wer muss in Change-Management-Prozessen involviert sein, welche Zielsetzungen gibt es aktuell in Unternehmen und wie komme ich als Führungskraft generell in dieses systemische Denken? Die heutige Situation verlangt eine Änderung des Führungsstils. Selbstorganisierte Teams sind nicht einfach nur Produkt von agilen Methoden, sondern, müssen proaktiv durch verantwortliche Vorgesetzte in Gang gebracht werden. Innovation ist aber eben lernbar – hier möchte ich Themen anreißen und Denkansätze für Unternehmen und Teams schaffen.

Probierwerk: Wir sind gespannt und freuen uns auf die Veranstaltung. Danke für das Interview!

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