Donnerstagabend, 18.00 Uhr – es ist Probierwerk-Zeit. Zum ersten Mal seit langem ist an diesem 4. März 2021 der Seminarraum bunt beleuchtet. Die Bananenpflanze steht im richtigen Licht, das Moderationspult von Probierwerk-Leiter Benjamin Schulz ist mitten im Raum positioniert – ein bisschen improvisiert, aber probierwerk-like. Die Technik, die vom Probierwerk-Team um Nathalie Hoffmann und Theresa Münzhuber betreut wird, ist aufwändiger als sonst. Statt Mikro, Bildschirm und 80 Stühlen in Reihe hängen zahlreiche Laptops im Netzwerk. Eine zusätzliche Kamera bringt neben besserer Qualität einen Weitwinkel mit. 75 Gäste sitzen zu Hause. Vier Jurymitglieder nehmen diesmal nicht in den gemütlichen Sesseln Platz wie noch 2020, sondern sitzen gespannt und getrennt voneinander im jeweiligen Büro. Es ist angerichtet für den „Werks-Pitch 2.0“.

Fünf Start-ups aus dem Probierwerk und dem Dunstkreis der rheinischen Szene sind angetreten, um ihre Geschäftsidee innerhalb von fünf Minuten dem Publikum und der zugeschalteten Jury zu präsentieren. 600 Euro, gestiftet von den Wirtschaftssenioren und der Lechner GmbH, gibt es zu gewinnen für den ersten Platz, dazu ein Startplatz beim Rheinland-Pitch und ein Tag Probierlab-Nutzung, wenn es die Pandemie-Situation wieder zulässt. Nicht unattraktiv für die Gründerinnen und Gründer, die am Online-Werks-Pitch teilnehmen. Doch bevor es losgeht, kommt Rita Straßer in Spiel, um ein bisschen Licht ins Dunkel der Begrifflichkeiten zu bringen. Die Existenzgündungsberaterin der Wirtschaftsförderung Leverkusen erklärt den Begriff „Pitch“ – also eine kurze Präsentation der Geschäftsidee.

Julia Pedersen aus Köln ist als erstes an der Reihe. Sie stellt mit dem „Sandburg Hub“ ein innovatives Konzept für die Kinderbetreuung in Unternehmen vor, die keinen eigenen Betriebskindergarten errichten wollen. Eltern sollen die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten und gleichzeitig aktiv am Leben ihrer Kinder teilzunehmen. Neben der Einrichtung der Großraum-Eltern-Kind-Büros mit hochwertigem, schallschluckendem Mobiliar stellt das Sandburg-Hub-Konzept auch professionelle Kinderbetreuung. Julia weiß sich sympathisch zu vermarkten und stellt das Konzept verständlich in den vorgegebenen fünf Minuten vor. Doch auch die Jury nutzt ihre Zeit und stellt noch einige Nachfragen, bevor das Publikum über den Chat ebenfalls die Chance dazu bekommt.

Als nächstes ist das Start-up „Digital Food Solutions“ an der Reihe. Fabio Fornito hat mit seinen Gründer-Kollegen Mika Singh und Chima Ohiagbaji die App „Essfinder“ entwickelt, einer Bestell-Plattform für Erzeugnisse regionaler Metzger, Bäckereien und Hofläden. Hier kann man regionale Produkte online kaufen und sogar mit einem optionalen Bringdienst liefern lassen. Das „Lieferando“-Konzept kommt an bei Jury und Publikum und es hagelt Fragen, die Fabio souverän meistert. Wie er das „Grillen“ fand? „Ich war aufgeregt, aber es hat toll funktioniert.“

Wildcard-Gewinnerin Madeleine Heuts aus Köln ist echter Pitch-Profi. Sie stellt ihre rechtliche Wissensplattform „Raketenstart“ für Startups vor, mit der sich Gründerinnen und Gründer während und nach der Gründung bei rechtlichen Fragestellungen schulen können. Apropos Fragen – die Jury hat da einige und auch die Zuschauer trauen sich, kritisch nachzuhaken. Madeleine, von Hause aus Juristin, besteht den Stresstest mit Bravour.

Wie Greenkeeper in Fußballstadien schon vorher sehen, ob der Rasen krank wird, erklärt als nächstes Fabian Hille vom Probierwerk-Start-up „Growmaps“. Mittels Videotechnik und Software erkennt das System zum Beispiel Pilzbefall, bevor das menschliche Auge den Schaden feststellt. So kann der Greenkeeper frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten. Für Fußball-Bundesligisten ist die Anschaffung der Lösung lukrativ, denn ein Austausch des Rasens ist kostspielig.

Zum Schluss wird es dann richtig sportlich: Marvin Hintz stellte die „Academy of eSports“ vor. Neben einer Nachwuchsakademie für Gamer bieten sie ihr Know-how als Dienstleister für Verbände und Organisationen an. Die immer bedeutsamer werdende Gamer-Szene wird es freuen, dass es professionelle Unterstützung gibt. Sahen auch Jury und Publikum so.

Es ist kurz nach 20 Uhr, als alle Starter nochmal in umgekehrter Reihenfolge Jury und Publikum überzeugen. Ein letzter Werbe-Aufruf. Was ist hängen geblieben? Wie urteilen die Jury-Mitglieder um Natalie Kühn, Harry Voges, Christiane Kuhn-Haarhoff und Karl-Heinz Horst? Sie ziehen sich jetzt zur Beratung zurück und auch das Publikum hat zehn Minuten Zeit, die Start-ups nach den Kriterien Innovativität, Markt, Kundennutzen und Unternehmerpersönlichkeit zu bewerten. Die Abstimmung erfolgt natürlich online.

So langsam trudeln die ersten Votings ein. Die Jury macht sich startklar, um nochmal in einem kurzen Statement den Abend zusammenzufassen. Fazit: Starke Ideen, tolle Präsentationen. Dann fliegt das Ergebnis ein – baumelnd als Briefumschlag an einer Drohne. Als Probierwerk-Leiter Benjamin Schulz zur Ergebnisverkündigung kommt, steigt die Spannung nicht nur im Probierwerk. Knapp liegt Madeleine Heuts mit Raketenstart vorn, gefolgt von der Academy of eSports von Marvin Hintz und Luca Kühn. Auf Platz drei ist Digital Food Solutions, gefolgt von Growmaps und Sandburg Hub.

„Den Werks-Pitch digital zu planen und umzusetzen, war für uns eine Herausforderung und eine spannende Erfahrung“, sagt Probierwerk-Leiter Benjamin Schulz. „Der Abend mit mehr als 70 Zuschauern hat uns gezeigt, dass auch große Events über Plattformen wie Zoom funktionieren. Und trotzdem haben wir die Hoffnung, den Werks-Pitch 3.0 im Jahr 2022 wieder mit Zuschauern im Probierwerk zu veranstalten.“